Mattis und Jonte

GEBOR(G)EN

Es ist fast auf den Tag sieben Jahre her, als ich zum ersten Mal meinem Mann begegnete. ?Eine Begegnung, die uns heute als Familie mit zwei wunderbaren kleinen Jungs zusammenleben lässt. Unser Sohn Mattis wurde im Juni 2012 geboren, nachdem wir nicht mehr wirklich damit gerechnet hatten, Eltern zu werden. Unser Sohn Jonte kam fast auf den Tag genau zwei Jahre später auf die Welt. Er ist jetzt gerade sechs Wochen alt und träumt in diesem Moment, wie sein Bruder – das lässt mich zur Ruhe kommen und diese überwältigenden Erlebnisse der Geburten endlich in Worte fassen.
Ohne Tränen geht das auch heute nicht – und das macht mich glücklich, weil ich erleben durfte wie unsere Jungs das Licht der Welt erblicken und mein Mann mir auch oder gerade auch in diesen Momenten so nah war, mir Halt und Kraft gab und ich eine unglaubliche Liebe für ihn auch in diesen Momenten ganz bewusst empfand.

Wenn ich die Atmosphäre beider Geburten, die ich als sehr unterschiedlich empfand – auch wenn beide Jungs sich nicht gerade viel Zeit ließen – mit einem Wort beschreiben sollte, dann wäre das sicher „Liebe“. Ich fühlte mich in so guten Händen und vertraute unseren wunderbaren Hebammen uneingeschränkt, alles um uns herum war so liebevoll und voller Fürsorge – ein warmes Nest, in dem unsere Jungs gebor(g)en wurden. Etwas schöneres hätte ich mir für uns und unsere Mäuse nicht wünschen können.

Bei Mattis fing alles in den frühen Morgenstunden eines Montags an – mit dem Blasensprung von dem ich geweckt wurde. Ich weiß noch, dass ich sehr ruhig war – besonnen, aber total aufgekratzt, voller Freude, weil ich wusste „jetzt geht es los – nur noch ein paar Stunden und ich halte mein Baby im Arm“. Es gab nichts, das mich hätte zweifeln lassen, dass alles wunderbar laufen würde. Ich weckte meinen Mann, der ziemlich durcheinander war – aus dem Schlaf gerissen und dann auch irgendwie unsicher, was jetzt zu tun sei. Ich schlug noch mal schnell im Handout nach – wir können noch schlafen, die Wehen waren ja noch nicht zu spüren und das Fruchtwasser schien klar. Also dann, ruhig noch ausruhen – aber ehrlich, von Schlaf war da keine Rede mehr, so aufgeregt waren wir. Glücklicherweise brauchten wir auch gar nicht mehr lang warten – die Wehen setzten schon nach einer knappen Stunde ein, ganz gemächlich und absolut gut auszuhalten. Wir telefonierten mit unserer Hebamme Sabine, die uns ganz gezielte Fragen stellte und mir das sichere Gefühl gab, gut einschätzen zu können in welchem Stadium ich mich befand.
Zwei Stunden nach dem Blasensprung gegen 4 Uhr werden die Wehen heftiger und regelmäßiger, wir hatten angefangen sie auf einem Tempo zu notieren, das unser Sohn als Beweisstück in unserem Tagebuch finden wird, das ich noch immer für ihn und auch seinen Bruder schreibe.
Ein weiteres Telefonat weiter, gegen 5.15 Uhr gehe ich in die Badewanne auf Sabines Rat und dann… nach wenigen Minuten sind sie da, die Wehen mindestens eine Minute lang und circa alle 3 Minuten. Ich fühle mich sehr wohl in der Wanne und freu mich über jede inzwischen doch sehr starke Wehe, weil ich spüre, sie bringt mich meinem Baby im Arm näher. Eine Stunde später, ich bin nun nicht mehr in der Wanne, ruft mein Mann Sabine wieder an. Sabine kommt gegen 7 Uhr zu uns, da ist der Muttermund zu unser aller Überraschung bereits 7-8 cm geöffnet! Ich veratme inzwischen ziemlich laut, aber das tut gut. Und ich schaffe es in einer Pause – die ich gar nicht so richtig als Wehenpause empfand, den Weg über die Treppe ins Auto. Ein Montagmorgen gegen 7.30 Uhr – das macht mit Wehen nicht so richtig Spaß – Verkehr überall und dann auch noch die Müllabfuhr vor uns in einer der engen Straßen im Bielefelder Westen. Beherztes Wenden und ein anderer Weg, wir schaffen es und erreichen das Geburtshaus gegen 8.20 Uhr. Die ersten Presswehen setzen ein, ich liege wieder in der Wanne, gemütlich ist es, mein Mann und ich können uns ansehen, Lisa, unsere 2. Hebamme und Sabine sind an unserer Seite, Kerzen leuchten und ich bin so glücklich. Die Wehen erscheinen mir nun viel erträglicher, leichter als zuvor, einmal in den Vierfüßler und dann wieder in entspannte Lage zurückgelehnt in der Wanne wird das Köpfchen unseres Mattis sichtbar – das sehe ich meinem Mann schon an bevor Sabine es mir sagt. Er ist so überwältigt und gerührt, ich sehe heute noch seinen Gesichtsausdruck vor mir und Tränen fließen auch bei mir – vor Glück. Und in dem Moment sage ich ihm auch, wie sehr ich ihn liebe. Um 9.29 Uhr ist er da – unser kleiner Schatz, Mattis. Ich liege in der Wanne und er auf meiner Brust, Handtücher halten uns warm und mein Mann und ich halten uns fest. Gegen 10 Uhr liegen wir gemütlich zusammen im Bett, freuen uns und ich wundere mich, dass ich so fit bin, alles passt, alles ist gut und die Zeit steht still. Mattis trinkt wunderbar, die erste Untersuchung findet im Bett statt, Mattis immer bei uns. Wir werden umsorgt, Tee, Brötchen, Obst, Gemüsesticks und wir genießen die Ruhe um uns herum. Nach ein paar Stunden des Ausruhens fahren wir gemeinsam – zu Dritt – nach Hause, in unser Nest, das in den nächsten Tagen voller Ruhe und Abgeschiedenheit nur uns gehört. Die Welt steht still, das Außenleben bleibt draußen und es gibt nur uns.
Ich werde das nie vergessen, es waren wunderbare Tage, bei uns fast zwei Wochen bevor wir wieder mehr Außenwelt hinein ließen. Ich habe das sehr genossen – nie vorher und nie nachher war ich so bei mir.

Als vor sechs Wochen Jonte in unser Leben geboren wurde, tobte das Leben um ihn herum, denn sein Bruder Mattis erwartete ihn schon sehr und hatte gar nicht so große Lust auf Ruhe und Stille!?Mit Zwei muss man es schließlich krachen lassen. Das war klar – wusste Mattis und sein Papa ahnte das, nur ich war geschockt von der „Lautstärke“ um mich herum und sehnte mich nach diesen Tagen des Ankommens und der Viersamkeit. Wir hatten glücklicherweise wunderbare Unterstützung durch die Großeltern besonders, aber auch durch verständnisvolle Freunde und Familien, die uns Zeit ließen, aber alle Hilfe anboten vom Kochen übers Einkaufen bis hin zu Putzdiensten und Botenfahrten, Babysitterdienste für den „großen Kleinen“ und ein offenes Ohr sowie jede Menge Taschentücher für eine doch diesmal sehr hormonbeeinflusste Mama.
Jonte hat alles wunderbar gemacht – perfektes Timing und noch bevor er auf die Welt kam auf seine Mama gehört, könnte man sagen. Denn ich machte mir wahnsinnig viele Gedanken, wie es laufen würde, wenn es plötzlich nachts losginge und wir Mattis nicht würden Bescheid sagen können. Er war vorbereitet, aber wir konnten nicht sicher sein, wie er reagieren würde, wenn wir plötzlich beide nicht da wären.
Schließlich platze auch bei Jonte die Fruchtblase zuerst – bevor irgendetwas anderes passierte oder sich auch nur eine geburtswirksame Wehe meldete. Wir hatten bereits drei Tage zuvor einmal alle Anzeichen in Richtung Geburt fehlinterpretiert und sollten uns nun noch bis zum Wochenende gedulden. Dann allerdings mussten wir uns nicht mehr so lang gedulden. Samstags hatte ich Termin und einen Routinecheck im Geburtshaus – es würde nicht mehr lang dauern aber so richtig tat sich noch nichts. Als ich dann am Sonntag gegen 4 Uhr morgens den Blasensprung bemerkte freute ich mich riesig – wie bei Mattis erwartete ich nun das Einsetzen geburtswirksamer Wehen binnen der nächsten wenigen Stunden, aber bitte dann noch so lang gut zu veratmen, dass ich noch ganz in Ruhe meinen Mattis ausschlafen lassen kann (6.30/7.00 Uhr) mit ihm kuscheln und ein Buch lesen kann, um ihn dann in aller Ruhe von Oma und Opa abholen zu lassen. Der Plan: Er hat einen schönen entspannten Spieltag und wir sind mit seinem Brüderchen zum Abendessen wieder zu Hause. Es ist schön, wenn ein Plan funktioniert – er funktionierte!
Gegen 8.30 Uhr wussten wir Mattis in besten Händen und machten uns auf zum Geburtshaus. Wir freuten uns sehr, weil Sabine Dienst hatte und fanden die Vorstellung unseren zweiten Sohn auch mit ihr zu bekommen einfach schön. Wir wurden so lieb empfangen, dass das ganze Gefühl voller „Vertrauen und Freude“ war. ?Doch so richtig gut „gearbeitet“ hatten die Wehen noch nicht – 2 cm und unregelmäßige zu kurze Wehen waren das erste Ergebnis. Wir gingen auf den Johannisberg, freuten uns über so viel Ruhe an einem Sonntagmorgen bei einem tollen Blick über Bielefeld, das noch ganz verschlafen aussah. ?Wir lernten den neuen Weinberg dort oben kennen und als mein Mann anfing sich die Pflanzen im Bauerngärtchen näher anzusehen, wurde ich von einer starken Wehe überrascht, was mir echt jedes Verständnis für das Abwägen ob es sich nun hier um eine Tomate oder Paprikapflanze handelte nahm. Mein Mann merkte schnell, dass das nicht der rechte Moment für botanische Betrachtungen war und freute sich mit mir, ganz in der Hoffnung, dass es doch nun endlich losgehen würde.
Nach einer Stunde etwa das ernüchternde Ergebnis – es hatte sich nichts getan. Ich ging im Geburtshaus in die Wanne, weil ich nicht riskieren wollte, das zu Hause zu machen, nachdem die erste Geburt damit ja so schnell eingeläutet wurde. Aber auch die Wanne brachte nach einer Stunde nichts und Sabine riet uns nochmal nach Hause zu fahren. Das machte Sinn. Wir planten gemeinsam, dass ich nun den Wehencocktail nehmen würde, allerdings erst einmal nur ein Drittel und dann auch mit 2 Stunden Wartezeit. Sabine rechnete fest damit, dass es nur eines kleinen Anstoßes brauchte, nichts ahnend, dass dieser Anstoß gar nicht mehr nötig sein würde.
Kaum zu Hause angekommen, überkommt mich in der Einfahrt eine derart heftige Wehe, nachdem ich nun schon beinahe eine Stunde gar nichts spürte, dass ich nicht aussteigen kann. In der Wehenpause gehen wir rein, mein Mann holt kurz alle Zutaten für den Cocktail zusammen und im nächsten Moment veratme ich eine Wehe nach der anderen. Wir telefonieren mit Sabine und vereinbaren, dass wir noch etwas abwarten aber in spätestens 30 Minuten wieder miteinander telefonieren. Ich bin mir plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob der Druck nicht doch unten mittig zu spüren ist und ich traue mir plötzlich nicht mehr zu einschätzen zu können, in welcher Wehenphase ist stecke. Das macht mich unsicher. Aber auch die plötzliche Heftigkeit der Wehen überwältigt mich. Ein ganz anderes Gefühl als bei meiner ersten Geburt, was mich heute zustimmen lässt – so abgedroschen es klingt „jede Geburt ist anders, unvergleichbar und man vergisst doch schnell“. Wir telefonieren wieder nach schon 10 Minuten und einigen Tränen, weil es nun doch heftig wird – aber zu keiner Zeit für mich unerträglich. Die Tränen sind eher der Überraschung geschuldet, aber auch dem Schmerz, das muss ich schon zugeben.
Ich möchte nun wieder ins Geburtshaus und so machen wir uns nach einer Stunde zu Hause wieder auf den Weg. Es ist Sonntag -zum Glück und ja, wir hätten den Reboarder hinter dem Beifahrersitz ausbauen sollen, weil sich Wehen nicht so gut wegstecken lassen, wenn man sich auf dem Sitz vorn kaum in eine andere Positionen bringen kann!
Aber wir kommen an gegen 13.30 Uhr und bevor ich überhaupt aussteigen kann oder auch das Geburtszimmer erreiche kommen noch ein paar heftigste Wehen. Ich bin überglücklich Sabine zu sehen und sicher, dass spätestens jetzt auch Meike weiß, dass ich da bin. (Sie wusste es, ich war nicht mehr zu überhören). Im Geburtszimmer hege ich noch den Wunsch auf eine Geburt in der Badewanne und die erleichternde Wirkung des schön warmen Wassers, an die ich mich erinnern konnte, doch dazu kommt es nicht mehr. Die Untersuchung fällt kurz aus, Sabine muss nicht mehr fühlen, sie kann sehen – das Köpfchen. Und so gehe ich in die tiefe Hocke, mein Mann hält mich auf dem Bett sitzend und – ich glaube es waren wirklich nur diese zwei heftigen Presswehen, die es noch dauerte, bis unser Jonte, ein kräftiger süßer kleiner Kerl noch ganz bläulich-rot (so hab ich ihn Erinnerung) um 13.45 Uhr vor mir liegt, umsorgt von sicheren Handgriffen bis ich ihn in den Arm nehmen kann. Ich war glücklich, sehr glücklich, überwältigt, aber auch echt erschöpft, fast geschockt von dieser Plötzlichkeit. Und ich konnte meinen Mann nicht sehen – um so schöner war der Moment, der unmittelbar folgte, als wir gemeinsam im Bett lagen mit unserem süßen Schatz.
Ich weiß noch, wie ich meinen Mann kurz bevor Jonte dann tatsächlich geboren wurde unter Tränen bat mir zu sagen, dass nun ganz bald unser Jonte da sei, er es aber nicht konnte, weil er selbst weinte und ihm die Worte fehlten, Sabine aber einsprang und mir ganz lieb und sehr verbindlich versprach, es seien nur noch zwei Wehen … das gab mir so viel Kraft Ich danke Dir, liebe Sabine. Vertrauen…. das ist wohl das wichtigste bei einer Geburt. Vertrauen schafft Wohlfühlen und das zeigte sich auch, als die Plazenta sich nicht so recht auf den Weg machen wollte und mir ein möglicher Krankenhausaufenthalt erspart blieb dank Meikes beherztem Zugreifen. Herzlichen Dank, liebe Meike, ich möchte unser Nach-Hause-Kommen und die erste Begegnung unserer Jungs in vertrauter Umgebung einfach nicht missen.
Wir genossen wieder die Wärme und Fürsorge, die tollen, gelösten Gespräche und viel Lachen nach der Geburt bei einem Gläschen Sekt, Kaffee/Tee und Torte mit unseren Hebammen. Liebe Johanna (Hebammenschülerin) es tut mir leid, dass wir so schnell waren. Ich hätte dich gern bei der Geburt dabei gehabt.
Entspannt und sehr sehr glücklich fuhren wir gegen 17 Uhr nach Hause – die Großeltern brachten unseren Mattis heim, den wir gemeinsam an der Haustür in Empfang nahmen. Baby Jonte wartete schläfrig im Wohnzimmer und als wir Mattis erzählten, dass wir nun endlich Jonte mitgebracht hätten, folgte ein so freudiges, vorsichtiges, natürliches Näherkommen, Beschnuppern, Kuscheln und Liebkosen, das mir noch heute die Tränen in die Augen treibt.

Was soll ich sagen – ich habe das Glück, zwei wunderbare, gesunde Kinder in einer unvergleichbar schönen Geburtsatmosphäre bekommen zu haben, mit meinem Mann an meiner Seite, mit dem ich mich auf eine nun noch ganz andere, besondere Weise verbunden fühle. Ich habe vertraut und ganz viel Herzlichkeit entgegengebracht bekommen – nicht nur während der Zeit vor und während der Geburten. Ganz besonders viel Verständnis und Unterstützung schenkten mir Sabine und Meike nach der Geburt von Jonte, denn das Leben zu Viert ist wundervoll anstrengend und die Gefühle nicht immer leicht zu sortieren. DANKE.

Ein Kommentar zu “Mattis und Jonte

  1. Heidi schrieb am :

    Was für ein wundervoll und liebevoll beschreibender Bericht. Ein Bericht, der nicht über den Schmerz hinweg schweigt, aber ihn auch nicht in den Mittelpunkt stellt. Noch nicht Mutter seiend, aber doch werdend, habe ich beim Lesen das Gefühl, dass bei einer Geburt alles seinen rechten Platz hat: das Warten, das Hoffen, das Leiden, das Frohlocken; am Ende die Feier von Leben und Liebe. Danke für das Teilen dieser wichtigsten Momente.

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