Frederike

Frederike wurde am 03.10.2014 bei uns Zuhause auf dem Sofa geboren.

Seit der 30. Schwangerschaftswoche lag sie in Beckenendlage und wir mussten uns von dem Wunsch einer Geburt im Geburtshaus verabschieden. Doch zwei Tage vor dem geplanten Kaiserschnitttermin passierte das, was niemand mehr für möglich gehalten hatte. Sie drehte sich in Schädellage und da blieb sie auch. Einer Geburt im Geburtshaus stand nun nichts mehr im Wege. Aber unsere Tochter hatte andere Pläne. Ich schreibe hier gerne, wie sich alles zugetragen hat. Mir hat es bei dieser Geburt sehr geholfen, dass ich den Bericht über die Geburt meines ersten Kindes vorher noch einmal gelesen hatte.

In den frühen Morgenstunden des 3. Oktober hatte ich Bauchschmerzen, die ich im Halbschlaf aber noch nicht bewerten konnte. Sie gaben mir nur die Hoffnung, dass sie erste Vorzeichen sind. Ich war nach dem Aufstehen auch ganz kribbelig, weil ich mich plötzlich völlig unvorbereitet fühlte. Unser vierjähriger Sohn  war für diesen Tag mit seinem Patenonkel zu einem Tagesausflug verabredet. Wir gaben ihm vorsorglich die Übernachtungstasche mit. Dann überprüften wir die Geburtstasche. Ich wollte den Badewannentest machen. Mein Mann Sebastian verbot es mir aber, weil er Sorge hatte, dass die Badewanne denselben wehen verstärkenden Effekt wie bei Fabians Geburt haben würde und wir es dann nicht mehr rechtzeitig nach Bielefeld schaffen würden. Er schlug vor, dass wir nach Bielefeld fahren und dort spazieren gehen. Wenn die Wehen stärker werden, haben wir dann nicht mehr die lange Fahrt  (ca. 40 Minuten)vor uns. Wir telefonierten mit Edith und fuhren dann um 11 Uhr nach Bielefeld. Es war ein sonniger Feiertag, den wir zum Großteil im Bürgerpark Bielefeld verbachten. Wir kehrten zweimal im Park-Restaurant ein und achteten darauf, dass wir immer genug aßen, um stets bei Kräften zu sein. Hier hatte ich auch eine Toilette in der Nähe. Wir gingen dort viel spazieren. Zwischendurch notierten wir Dauer und Abstand der Wehen, die ich gut veratmen konnte. Um 15 Uhr telefonierten wir nochmals mit Edith, um ihr den Stand der Wehen mitzuteilen. Wir vermuteten, dass die Geburt noch heute Abend stattfinden würde. Bei diesen schönen warmen Sonnenstrahlen blieben wir im Park, gingen weiter spazieren und spielten ein Spiel auf einer Parkbank. Zwischendurch wurden die Wehen stärker, so dass ich mich vor die Parkbank kniete, um sie besser veratmen zu können. Dann setzte ich mich wieder und spielte weiter. Den anderen Parkbesuchern fiel mein Zustand gar nicht auf. Nur ein Familienvater wünschte uns im Vorbeigehen verschwörerisch alles Gute für den Tag.  Am Ufer des Sees spielte ein Mann Gitarre, deren Klänge zu uns herüber wehten. Mir ging es gut und ich freute mich über jede Wehe, weil sie uns unsere Tochter ein Stückchen näher brachte. Als die Wehen etwa alle 5-8 Minuten kamen, telefonierten wir um 18 Uhr mit Sabine und baten um eine Untersuchung. Wir verabredeten uns zu 19 Uhr im Geburtshaus. Vorher wollten wir noch Abendbrot essen. Auf dem Weg zum Auto überlegten wir, in welches Restaurant wir gehen könnten. Eine Wehe später war mir eine Pommesbude lieber, weil das schneller geht. Auf der Fahrt zu Mc Donald´s hatte ich schmerzhaftere Wehen, so dass ich mich für den Mc Drive entschied. Ich schlang mein Essen zwischen den Wehen rein. Ich war sicher, dass wir nun zur Geburt ins Geburtshaus fahren würden. Dort hatte ich so starke Wehen, dass mir Tränen in die Augen schossen. Der Muttermund war 2 cm geöffnet und die Fruchtblase intakt. Sabine ließ für mich Badewasser ein. Ich badete etwa 45 Minuten und die Wehen wurden rückläufig. Auch der homöopathische Wehenverstärker half nicht. Dann blieben die Wehen fast ganz aus. Um 21 Uhr schickte uns Sabine nach Hause. Ihre Vermutung war, dass die Geburt erst am nächsten Morgen stattfinden wird. Ich wusste auch, dass ich mit so wenig Wehen kein Kind gebären könnte. Schade, es sah alles so gut aus. Auf dem Weg zum Auto schossen mir Tränen der Verzweiflung in die Augen, weniger, weil wir weggeschickt wurden, sondern weil mir nun mein persönlicher Geburtshorror bevorstehen würde: eine Nacht voller Wehen, aus der man dann entkräftet und übernächtigt in die Endphase der Geburt gehen muss. Doch es kam alles anders. Auf der Fahrt nach Hause verstärkten sich die Wehen wieder. Sie hatten sich auch geändert. Dies waren nicht mehr die Wehen, die man veratmen kann. Jetzt half mir nur noch das Tönen. Mit Ausrufen wie „Aaaaauuuaaa, daaahaaas tuuuuhuuut soooohoo weeeeeh.“ überstand ich irgendwie die Fahrt. Um 21.35 Uhr waren wir Zuhause und entschieden, dass wir die Nacht auf dem ausklappbaren Sofa verbringen würden. Doch die Fruchtblase war noch intakt. Als Vorbereitung für den eventuellen Blasensprung legten wir auf das Sofa eine Wachstuchtischdecke als Flüssigkeitsblocker. Darüber legten wir mehrere Wolldecken. Ich nutzte die nächste Wehenpause, die nur noch 3 Minuten lang war, noch einmal für einen Gang auf die Toilette. Sebastian hielt bei jeder dieser schmerzhaften Wehen meine Hand, so dass ich den Schmerz durch das Zusammendrücken seiner Finger ableiten konnte. Diesmal hatte er den Ehering rechtzeitig abgelegt. Um 21.45 Uhr telefonierte Sebastian mit den Hebammen, obwohl ich das nicht für nötig hielt. Ich dachte ja, ich müsse das so noch ein paar Stunden aushalten. Gut, dass Sebastian da seinem eigenen Gefühl gefolgt ist. Das Gespräch mit Edith ergab, dass wir wieder nach Bielefeld fahren sollten. Nach der nächsten Wehe wollten wir zum Auto gehen. Doch ich schaffte es nicht und bat um Aufschub bis nach der nächsten Wehe. Da Edith mich bei dem Telefonat im Hintergrund schreien gehört hatte, rief sie sofort wieder an und fragte, ob sie lieber zu uns kommen soll. Dankbar nickte ich und Sebastian besprach sich kurz mit ihr. Die Hebammen waren also unterwegs. Es würde eine Hausgeburt werden.  Zu diesem Zeitpunkt war mir aber völlig egal gewesen, wo ich war. Ich nahm alles um mich herum nur noch verschwommen wahr und war nur noch mit den Wehen beschäftigt. So bemerkte ich gar nicht, dass Sebastian, der weiterhin bei jeder Wehe meine Hand hielt, in den Wehenpausen ganz fleißig war. Als er mir dann stolz erzählte, dass er oben im Schlafzimmer alles für die Hausgeburt vorbereitet habe, tat es mir leid, als ich ihm sagen musste: „Gut gemeint, aber ich schaffe ganz bestimmt keine Treppe mehr.“ In den folgenden Wehenpausen trug Sebastian die Handtücher also wieder runter ins Wohnzimmer und öffnete schon mal die Haustür für die Hebammen. Ich war froh, dass ich nur noch auf dem Sofa liegen und irgendwie diese schmerzhaften Wehen aushalten musste. Ich spürte einen heftigen Druck tief ins Becken. Mir half das Tönen und das papapapapapp, dass ich bei Fabians Geburt von Anne und Jule  gelernt hatte. Zwischendurch bat ich Sebastian, mir zusagen, dass alles gut würde und ich es bald geschafft hätte. Aber ich schrie auch: „Das ist das letzte Kind, das ich kriege.“ Trotz allem war ich froh, dass es nun doch die Geburt wurde, die ich mir gewünscht hatte: In schöner Umgebung, schmerzhaft, aber kurz. Aus den Erfahrungen durch Fabians Geburt wusste ich jetzt genau, wann sich was wie anfühlt und wusste daher auch, dass es der Kopf war, den ich nun im Becken spürte. Da rief Edith an und teilte mit, dass sie laut Navi in sieben Minuten da sei. Das machte Sebastian Mut. Ich bat ihn, mir schon mal die Hose auszuziehen, da ich den Kopf spürte.

Er sagte darauf: „Ich sehe schon die Haare.“

Ach nee, dachte ich. Das sagte ich doch oder was verstehst du unter Kopf?

Er bat: „Nicht pressen, die Hebammen sind gleich da.“

Ich antwortete: „Ich presse nicht, sie drückt so stark.“

Er: „Nur noch sieben Minuten!“

Ich: „Das sind noch drei Wehen, das schaffe ich nicht. Sie kommt jetzt.“

Er – in sehr ernstem und bestimmten Ton: „Barbara, dass können wir nicht. Barbara!“

Ich: „Sie kommt jetzt und nicht in sieben Minuten. Setzt dich vor mich und nimm sie entgegen, stütz den Kopf, falls die Schultern eine Wehe später kommen.“

Sebastian hielt sich bereit. Ich wusste, dass alles gut gehen würde.

Ich rief: „Achtung! Aaaaahhhhhh.“

Und Frederike kam mit dieser Wehe auf die Welt. Sebastian hielt sie in den Händen. Und die Rollenverteilung wechselte abrupt. Nun wurde er ganz ruhig und ich völlig panisch. „Atmet sie? Lebt sie? Sie ist so blau!“ Er konnte mich beruhigen, denn er sah ihre Atmung. Dann hörten wir Ediths Auto und riefen laut nach ihr. Nun schrie auch Frederike endlich. Wir waren so froh, dass Edith nun da war und uns sagte, dass alles gut ist und unsere Tochter gesund zur Welt gekommen war. Dann trafen Sabine und die Hebammenschülerin Silja bei uns ein. Gemeinsam freuten wir uns erstmal über Frederikes Geburt. Wir beide waren so erleichtert, dass die drei nun sagten, was zu tun war und sogleich alles übernahmen. Mir ging es sehr gut. Ich hatte keinerlei Geburtsverletzung. Es war wieder ein ganz besonderer Moment für uns, als Sebastian die Nabelschnur durchschneiden durfte. Und nachdem Edith und Sebastian unsere Tochter untersucht und angezogen, und Sabine und Silja mich in der Dusche gewaschen hatten, und nachdem Sebastian die blutigen Decken und Handtücher in die Waschmaschine gesteckt hatte, und die Hebammen alles aufgeräumt, gewischt und mich und unsere Tochter zugedeckt hatten, waren fast keine Spuren einer Geburt mehr zu sehen. Unser Wohnzimmer war wieder ein Wohlfühlort. Das schönste war, dass wir einfach liegen bleiben und kuscheln konnten und nicht erst noch nach Hause fahren mussten. Denn da waren wir ja schon. Gut gemacht, Frederike! Wir bedanken uns sehr bei Edith und Sabine für die Begleitung. Mein besonderer Dank gilt im Nachhinein auch Jule und Anne, die uns im Jahr 2010 durch die Begleitung der Geburt unseres Sohnes Fabian so viel Selbstvertrauen geschenkt haben, dass ich mich zu keinem Zeitpunkt während der Geburt unsicher fühlte (die Panik kam ja erst danach.) Für alle werdenden Väter, die so etwas vielleicht auch mal erleben werden, möchte ich Sebastians Antwort auf die ihm häufig gestellte Frage: Wie hast Du das geschafft? weitergeben: Geburtsvorbereitungskurs und Adrenalin!

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