Liam

Meine Schwangerschaft begann im Winter 2012. Nach einer Eileiterschwangerschaft und einer Fehlgeburt freute ich mich tierisch über jeden Meilenstein, der in der dritten Schwangerschaft geschafft war. Der Kleine hatte seinen Weg in die Gebärmutter geschafft und das Herzchen schlug! ..womit wir seitdem überglücklich die Schwangerschaft genießen konnten. Das Bäuchlein wuchs und wir schaukelten den kleinen Bauchzwerg glücklich durch den Alltag.

In der Zwischenzeit wurden wir von den Hebammen des Geburtshauses betreut, die sich mit uns freuten, dass alles so gut lief. Wir scherzten in den Vorsorgeterminen, dass der Kleine ja vielleicht 10 Tage später kommt als errechnet und dann Mami am 18.08 ein ganz besonderes Geschenk zum 30 Geburtstag machen würde.

Der Kleine sollte errechnet am 8.8. kommen, es tat sich aber länger nichts und am 9. Tag nach ET stand dann eine Einleitung mit Rizinusöl im Raum, als wir zur Vorsorge kamen. Wir entschieden uns erst einmal für eine ganz geringe Menge Rizinusöl, damit sich der Gebärmutterhals möglicherweise noch verkürzt (evtl. aber auch Wehen einstellen können), damit man auch anschließend bessere Chancen bei der eigentlichen Einleitung hat. Am 11 Tag nach ET wollten wir dann mit der gesamten Menge Rizinusöl einzuleiten, wozu es nie gekommen ist. Abends, nach Einnahme der Kapseln (mit der geringen Rizinusölmenge) passierte nichts und ich dachte, dass ich die Menge gut und ohne Nebenwirkungen weggesteckt habe. In der kommenden Nacht, der Nacht zum 18.08. (und meinem 30ten Geburtstag :-)) stand ich auf, weil es im Bauch dann doch zwickte und zog. Ich dachte mir noch nicht viel dabei. Dann merkte ich nach einer halben Stunde, dass das Zwicken stärker und unangenehmer wird und in Abständen kommt und geht. Es machte Klick, dass es Wehen sein könnten. Ich dachte es sind möglicherweise Senkwehen oder keine echten Wehen, ausgelöst durch das Öl. Ich weckte trotzdem meinen Mann und sagte ihm, dass im Unterleib etwas wehtut, legte mich anschließend aber wieder ins Bett. In der Zwischenzeit stand mein Mann auf, ging aus dem Schlafzimmer und kam nicht wieder. Als der Schmerz dann stärker wurde, hörte ich in meinem Bauch ein Plock, das ich nicht zuordnen konnte. Kindsbewegungen oder Schluckauf konnte es nicht sein, dachte ich. Ich stand irgendwann auf, um zu schauen, wo sich mein Mann herumtreibt 😉 und sah, dass er um 6 Uhr morgens die Wohnung mit Luftschlangen für meinen Geburtstag dekorierte. Nur wenige Minuten später wurde mir klar, was dieses Plock war. Es war das Platzen der Fruchtblase, denn sobald ich wieder im Bett lag, setzte ich das Bett unter Wasser. Mein Mann suchte nach Handtüchern und ich betrieb mit der Schlafdecke Schadensbegrenzung während ich vor Freude nicht aufhören konnte Freudentränen zu vergießen. Welch eine Überraschung! Und ja, es waren doch echte Wehen, jetzt wusste ich es, es geht los und unser Kleiner macht sich endlich auf den Weg zu uns. 🙂

Mein Mann informierte die Hebamme und zwischen den Wehen packte ich dann auf dem Bett mein Geschenk aus. Das war wirklich lustig und schön. So einen Morgen würden wir nie wieder erleben.

Wir fuhren zwischendurch bereits zum Geburtshaus, um ein CTG vom Herzchen des Kleinen zu machen. Das Fruchtwasser war nämlich verfärbt, was auf Stress beim Kleinen hätte schließen können. Es war aber alles mit den Herztönen Ok, der Muttermund war schon auf 1cm geweitet und unsere Hebamme Jule gab uns die gute Nachricht, dass der Kleine sehr wahrscheinlich heute noch kommen wird. Wir fuhren dann nach der Untersuchung wieder nach Hause, um da die weiteren Wehen weg zu atmen. Ich nahm auf Anraten von Jule ein Bad und fühlte mich sonst am wohlsten auf der Bettkante oder auf der Toilette. Dort waren die Wehen meistens am besten auszuhalten. So langsam wurde aus dem Wegatmen ein Wegtönen und möglicherweise hatten auch die Nachbarn akustisch was davon, was mich in dem Moment allerdings nicht störte. 😉 Jede Wehe gut meistern war die Devise.

Um 12 Uhr sollten wir wieder ins Geburtshaus kommen. Ich bat meinen Mann aber eher anzurufen, da die Wehen doch ziemlich intensiv wurden. Wir standen also um halb zwölf dort auf der Matte und ich war echt glücklich Jule an meiner Seite zu haben.

Als ich untersucht wurde, war der Muttermund 3 cm eröffnet. Jule schickte mich und meinen Mann danach noch spazieren, das sollte helfen und die Geburt weiter voran zu bringen – wir wären nicht die ersten Pärchen, die vor dem Geburtshaus Wehen wegtönen. Wir sind daraufhin nach draußen gegangen und ich schunkelte alle 20 Meter während der Wehe mit den Hüften, während ich mich an meinen Mann festhielt. Alles lief ganz gut, die Wehen wurden heftiger.

Jule ließ in der Zwischenzeit Wasser in die Badewanne einlaufen, so dass ich bei der Ankunft ab in die Wanne steigen konnte. Alles war liebevoll vorbereitet und man versuchte mir die Wehen, aber auch die Wehenpausen so nett wie möglich zu gestalten. Tücher wurden ausgelegt, damit ich nirgends hart liege und mich abstützen oder hocken kann, es waren Kerzen an und mein Mann hatte Nervennahrung mitgebracht. Zu dem Zeitpunkt ging das Essen in den Wehenpausen noch. Jule gab mir Hilfestellungen, wie ich mich in den Wehen am besten festhalte oder abstütze, damit jede Wehe besser auszuhalten ist. Das war echt super.

Nach der Wanne war mein Muttermund auf 4-5 cm erweitert. Das Köpfchen des Kleinen hatte sich zu dem Zeitpunkt aber noch nicht eingedreht, um dann ins Becken einzusinken. Jule gab mir deswegen Anweisungen, wie ich auf dem Bett am besten liege, damit man dies fördert. Diese Wehen waren die unangenehmsten von allen. Liegend gebären ist für mich unvorstellbar.

Nach einer halben Stunde konnte ich in dieser Position nicht mehr liegen, das Köpfchen hatte sich allerdings leider noch nicht eingedreht und mein Magen hatte sich in der Zwischenzeit entleert. Alle hofften, dass sich das Köpfchen bald eindreht, auch weil es bei jeder Wehe gegen das Becken stieß.

Ich ging danach auf Toilette, wo es mir in den Anfangswehen auch gut ergangen war. Dort verbrachte ich die nächste halbe Stunde und die Wehen wurden rasant heftiger. Jule war im Raum nebenan und ließ uns im Bad für uns. Mein Mann war die ganze Zeit sehr ruhig und zuversichtlich, dass alles gut läuft. Er wich mir nicht von der Seite. Auch vom Wegschreien der finalen Wehen ließ er sich nicht irritieren. Ich hatte auf Toilette das Gefühl loslassen zu können und die Wehen in ihrer Intensität zulassen zu können. Erst dann merkte ich, dass ich mich vorher wohl irgendwie untenrum gesperrt habe (aus Angst vor dem Schmerz …) und der Kleine sich deswegen wohl nicht eindrehen und einsenken konnte. Die Wehen wurden echt heftig, ich ließ locker und atmete die Wehen weg wie gut es ging. In den Wehenpausen stand ich meist auf, lief im Bad hin und her und schunkelte die Hüften. Irgendwie war das auch beruhigend. Die Wehe hielt ich weiterhin am besten auf Toilette aus. Nach einer halben Stunde kam dann Jule rein, sichtlich überrascht, dass es während der Wehen jetzt schon so laut herging. Sie bat mich ins Geburtszimmer und während sie mich untersuchte wurde klar, wieso die Wehen schon so heftig waren. Der Kleine hatte sich innerhalb der letzten halben Stunde im Bad eingedreht und mein Muttermund von 5 auf 10 cm geweitet. Der Kleine war fast da, das spürte ich. ? Jule half mir zum Bett, wo der Endspurt der Geburt passieren sollte. Mein Mann saß auf der Bettkannte hinter mir und hielt mich fest während ich in der Hocke vor dem Bett war und anfing den Kleinen mit aller Kraft raus zu drücken. Nike und Meike waren auch da und gingen Jule zur Hand. Nike und Jule halfen mir beim Atmen, wenn ich zu hektisch wurde. Ich dachte nur noch „Durchhalten“ und befolgte artig Jules Anweisungen beim Pressen. Die letzten Wehen fühlten sich an, als würde ich zerreißen. Mein Mann vergoss hinter mir schon die ersten Freudentränen, die ich auf meinen Schultern spürte. Und dann endlich schlüpfte der Kleine und lag vor uns auf dem Boden, auf der weichen von den Hebammen ausgelegten Decke. Geschafft! Das war so ein tolles Gefühl. Welch ein schöner Empfang, alle freuten sich und unser kleiner Liam lag da, nass, nackt und noch angenabelt an die Mama, 4080 g schwer und einem Kopfumfang von 38cm. Um 16:09 Uhr erblickte er das Licht der Welt, nach knapp 12 Stunden Wehen, an einem regnerischem Sonntag und meinem 30. Geburtstag, ab sofort Mamis Glückstag.

Ich nahm den Kleinen direkt hoch zu mir, „so etwas süßes!“ und Papa nabelte den Kleinen kurze Zeit später ab. Als Papa Liam übernahm und schon mal im Bett mit ihm kuschelte, trennte ich mich noch vor dem Bett von der Plazenta. Danach war ganz viel Zeit, um mit unserem kleinen Liam zu kuscheln und ihn zu bestaunen. Kaum zu glauben, dass dieser kleine Zwerg nun zu uns gehört, dachte ich. Welch ein Wunder, was hier gerade passiert ist. Einfach nur schön.

Der Kleine wurde durchgecheckt (U1) und ich stärkte mich danach noch mit ein wenig Suppe, damit ich zu Kräften kam und mein Kreislauf mitmachte. Ich war nicht gerissen und musste somit nicht genäht werden. Von Nike begleitet nahm ich eine Dusche und zog danach unseren kleinen Liam an, der zuvor in Papas Armen eingekuschelt in einer Decke gewärmt wurde. Seit der Geburt weinte der Kleine leise vor sich hin, wurde von uns getröstet und bestaunt. Er öffnete langsam seine Augen und schaute suchend umher, so etwas süßes. Da er an Papas Finger stärker saugte und sich dadurch beruhigen ließ, gaben wir ihm den mitgebrachten Schnulli. Den mochte er sofort und wurde ganz friedlich. Wir deckten Liam schließlich gut zu und waren startklar für unseren ersten Ausflug, nach Hause.

Mein Mann, ich und Liam wachsen nun immer mehr als kleine Familie zusammen. Vor allem die ersten Wochen gewöhnten wir uns aneinander, an die kürzeren Nächte und an die neue Verantwortung. Die Zeit mit dem Kleinen ist so wunderschön und wertvoll.

Danke dem gesamten Team des Geburtshauses. Schön, dass es in Bielefeld einen außerklinischen Ort und tolle Hebammen gibt, die es einem möglich machen natürlich, sicher und gut betreut zu entbinden. 🙂

Ich schaue auf eine sehr schöne Schwangerschaft und tolle Geburt zurück, bis zum nächsten mal!
Mama von Liam

2 Kommentare zu “Liam

  1. Senta schrieb am :

    Hallo, was für eine wundervolle Geschichte! Erinnert mich ein bisschen an die Geburt meiner Tochter im geburtshaus Bonn 2016.

    Eine Frage: Ist es problemlos möglich trotz vorheriger ELSS im Geburtshaus zu gebären auch wenn man eine Bauchspiegelung hatte?

  2. Hallo Senta,
    ja, auch mit der Anamnese ist eine außerklinische Geburt möglich!
    Viele Grüße aus Bielefeld

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