Karl Oskar

Es fing damit an, dass ich dieses mal im Geburtshaus entbinden wollte – unsere beiden „großen“ Söhne (Fritz 5 Jahre und Wilhelm 4 Jahre) sind in Rostock im Krankenhaus zur Welt gekommen, was auch völlig in Ordnung so war. Hier in Bielefeld, wo ich seit 4 Jahren zuhause bin, war ich mit der Auswahl an Kreisssälen total überfordert und hatte so gar keine Lust auf eine Besichtigungstour etc. Außerdem wollte ich ja eigentlich schon unser 1. Kind im Geburtshaus bekommen, aber in Rostock gab es 2005 leider keines. Nachdem ich von allen Seiten nur Positives gehört hatte, schaffte ich es – spät dran wie immer – den letzten Platz für den relevanten Geburtszeitraum zu ergattern. Ausgerechnet war unser Murkelchen für den 6. Oktober. Wie auch bei den beiden Großen, hatten wir keine Ahnung, ob es ein Junge oder Mädchen ist – diese letzte Überraschung wollten wir uns nicht nehmen lassen.

Nachdem ich 4 Hebammen kennen gelernt hatte, fehlte mir nur noch die Jule. Bedingt durch die Urlaubszeit hatten wir einige Schwierigkeiten, einen Termin zu finden, einigten uns aber auf den 23. September – es war ja noch genug Zeit bis zum Entbindungstermin. Scherzhaft sagte ich noch zu Sebastian „Pass auf, unser Kind kommt früher und ich lerne Jule bei der Geburt kennen.“

Am Montag abend (12.September) spürte ich dann so einen eigenartigen Druck auf die Blase und alles fühlte sich irgendwie komisch an, so dass ich es an der Zeit fand, wenigstens ein Paket kleine Windeln und auch für mich das Nötigste zu kaufen. Am nächsten Tag fühlte ich mich nicht wirklich wohl und hatte das Gefühl „auszulaufen“, glaubte aber nicht wirklich an einen Blasensprung – eher an eine Blasenentzündung. Also ab zur Frauenärztin. Diese gab erstmal Entwarnung – mit dem Baby alles gut, nur der Kopf drückte so stark auf die Blase und der Muttermund ca. 2 cm auf. Sie meinte, es würde wohl nicht mehr so lange dauern, aber bei den 3. wisse man ja nie. Das hatte ich inzwischen sooo oft gehört, dass die Dritten immer Fehlalarm machen würden und überhaupt tückisch wären.
Nichts desto trotz war es wohl aber doch an der Zeit, das Babybettchen aus dem Keller zu holen.

Um 2:00 Uhr morgens (14.September) bin ich dann mit Wehen aufgewacht. Ich war erstmal skeptisch und vermutete einen Fehlalarm. Die Wehen waren unregelmäßig und noch nicht zu stark und ich musste ständig daran denken, dass ich ja erst ab der vollendeten 37. Woche ins Geburtshaus durfte. Ich machte also erstmal das Babybettchen bereit – abstauben, Matratze auspacken und beziehen – sicher ist sicher.

Um 5:00 Uhr hab ich mich dann doch entschieden, die 1.Hebamme anzurufen und hatte Sabrina am Telefon. Ich erklärte ihr meinen Zustand und dass ich nicht ins Krankenhaus wollte, auch wenn ich erst 36 +6 war. Sabrina war ganz ruhig und sagte, sie würde sich erstmal anziehen und vorbeikommen, damit wir schauen konnten, wie ernst es tatsächlich wäre und dann könnten wir ja alles mit der 2. Hebamme besprechen. Also hab ich Sebastian geweckt und ihm gesagt, er solle doch sicherheitshalber schon mal die Babysachen raussuchen. Wir haben zusammen die Tasche gepackt und gegen 6:00 Uhr war Sabrina bei uns. Sie untersuchte mich und merkte, dass es echte Wehen waren und der Muttermund ca. 3 cm auf war. Ich hatte immer noch Sorge ins Krankenhaus zu müssen und eine Hausgeburt konnte ich mir mit Fritz und Wilhelm nebenan nun wirklich nicht vorstellen. Ich war schon froh, dass die beiden noch nicht aufgewacht waren. Also schlug Sabrina vor, noch eine Runde mit dem Hund zu gehen und sich dabei telefonisch mit der zweiten Hebamme zu besprechen. Sie wollte uns dann bescheid geben wie es weitergeht. Als sie ca. 15 min später anrief und sagte, dass sie auf dem Weg ins Geburtshaus sei um alles vorzubereiten und wir kommen könnten, fiel mir ein ganzer Fels vom Herzen.

Um 7:00 Uhr waren wir dann im Geburtshaus. Sabrina hatte schon jede Menge Kerzen angezündet und ließ gerade das Wasser in die Wanne laufen. Die Zwischenzeit war für mich sehr anstrengend. Die Wehen waren nun irre stark und es gab kaum eine Position in der ich es gut aushalten konnte und ich war mir auf einmal gar nicht mehr so sicher, ob ich überhaupt baden wollte. Von den beiden anderen Geburten hatte ich aber noch in Erinnerung, dass es in der Wanne gut war – auch wenn die Großen „an Land“ geboren wurden, also wollte ich es probieren. Sabrina untersuchte mich vorher noch und ich war sehr erleichtert, als sie mir sagte, dass der Muttermund schon 7 cm auf war. Und dann konnte ich tatsächlich in den Wehenpausen im warmen Wasser entspannen. Ein paar Minuten später kam auch Jule herein „Hallo ich bin die Jule. Schön Dich kennen zu lernen“. Das fand ich auch!

Die nächste Stunde verbrachten wir mit Smalltalk in den Wehenpausen. Sabrina, Jule und die Hebammenschülerin vor mir, mein Mann an meiner Seite, haben wir geredet und viel gelacht. Die Sonne schien herein und die Atmosphäre war einfach toll. Wir alle waren erstaunt, wie entspannt das Ganze ablief.

Es war ein wunderbarer Morgen – perfekt um unser Kind auf die Welt zu bringen!

Bei der nächsten Untersuchung stellte Sabrina fest, dass der Muttermund ganz auf war und unser Kind schon ganz schön drückte. Nur ein kleines Stückchen hatte sich vor das Köpfchen geschoben. Jule meinte irgendwann, ich solle mich doch mal in den Vierfüßler begeben, dann könnte sie das wegmassieren. Und ich dachte noch „Vierfüßler in der Wanne???“ Es ging aber wider Erwarten ganz gut und auch der Weg für das Köpfchen war dank Jules Hilfe und ein bisschen Mitschieben ganz schnell frei. Aber wie sollte ich jetzt wieder in die Ausgangslage zurückkommen? Das schien mir unmöglich! – klappte aber dann in einer Wehenpause doch irgendwie und dann durfte ich auch schon pressen.

Nach einiger Anstrengung wurde das Köpfchen geboren – was für ein irres Gefühl, den Kopf des eigenen Kindes so unter Wasser zu sehen und auf die nächste Wehe zu warten. Noch ein paar mal pressen und um 8:39 Uhr konnte ich unseren kleinen Schatz im Arm halten. Ich hatte das Murkelchen direkt auf der Brust und Sabrina deckte es mit einem warmen Handtuch zu. So verbrachten wir die ersten Minuten völlig überwältigt und überglücklich.

Nach einiger Zeit fragte Jule dann: „Habt Ihr eigentlich gesehen, was es ist?“ Ich hatte es nicht und auch sonst keiner im Raum. Also meinte ich „Soll ich mal schauen?“. Vorsichtig hob ich unser Baby an und verkündete: „Es ist ein Karl“. Nun hatte ich es also mit vier Männern zu tun.

Nachdem mit etwas Verzögerung auch die Nachgeburt geschafft war  – O-Ton Jule: „Das ist ja ne Familienpizza!“ und Sabrina sich davon überzeugt hatte, dass ich nicht gerissen war, konnten wir die erste Kuschelzeit zu dritt genießen und Stillen auf dem wunderschönen Himmelbett. Dann wurden Karls Traummaße (51cm und 3600g) festgestellt und das 3 Wochen vor errechnetem Entbindungstermin, was ihm gleich den Spitznamen „Specki“ einbrachte. Sabrina half mir beim Duschen und Sebastian kümmerte sich um Karls Outfit und ein paar Minuten später saßen wir alle gemeinsam an dem liebevoll gedeckten Frühstückstisch um uns nach dieser Stärkung nach hause zu verabschieden.

Als Fritz aus der Schule und Wilhelm aus der Kita kamen, waren sie glücklich, dass das Geschwisterchen tatsächlich ein Bruder ist und haben sich gleich liebevoll um ihn gekümmert.

Leider ging es dann doch nicht ganz ohne Krankenhaus, denn Karl bekam nach ein paar Tagen eine Neugeborenengelbsucht und musste 2 ½ Tage in der Kinderklinik behandelt werden. Das haben wir aber gut überstanden, denn auch dort haben sich alle sehr gut um uns gekümmert.

Der Karl hat unsere Familie komplett gemacht und Ihr habt die Voraussetzungen für ein wundervolles Geburtserlebnis geschaffen. Ich denke sehr gerne an die Stunden im Geburtshaus zurück und bin dankbar für dieses Gefühl, mein Kind „allein“ auf die Welt gebracht zu haben. Natürlich war auch diese Geburt schmerzhaft und anstrengend, aber was mir in Erinnerung bleiben wird, ist die wunderschöne ruhige Atmosphäre, das Lachen, die freudige Erwartung und dieses unglaubliche Glücksgefühl, als es geschafft war.

Vielen Dank dafür!

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