Mitja Samuel

BEL im Geburtshaus? Für kleine Stinker gibt’s auch diesen Service:-)

 

Die Geburt meiner Tochter Michelle vor 6 1/2 im Krankenhaus war mir in keiner guter Erinnerung, und so war diesmal relativ schnell klar, dass ich eine Alternative finden musste.

Für eine Hausgeburt war ich nicht mutig genug und so fand sich im Geburtshaus der perfekte Ort für meine zweite Entbindung. Ich fühlte mich dort von Anfang an sehr wohl, die Hebammen waren alle nett (sind sie auch immer noch:-)) und meine beste Freundin Sandra, die ihre beiden Kinder zu Hause entbunden hatte, war aufgrund dieses Umstandes auch sehr schnell als Begleitung gebucht- so weit so gut!

Da mit dieser Entscheidung auch klar war, dass ich mich diesmal nicht auf den medizinischen Fortschritt, sondern auf Mutter Natur verlassen musste, besuchte ich auch brav einen Geburtsvorbereitungskurs im Geburtshaus. Ich erfuhr jede Menge über Wehwehchen in der Schwangerschaft, die Geburt, das Wochenbett, lernte atmen und tönen, aber leider bereitete mich niemand auf den Satz des Frauenarztes in der 32.Woche vor: „Oh, der kleine Mann hat sich gedreht“- Kopf oben, Arsch unten, scheiße scheiße scheiße!!!

So hatte ich mir die Sache aber nicht vorgestellt! Also doch Krankenhaus, und unter Umständen noch einen Kaiserschnitt dazu- na herzlichen Dank, du kleiner Rotzlöffel!

Nach 4 Wochen überlegte es sich der kleine Mann aber Gott sei Dank noch einmal anders, drehte sich wieder und befand sich somit auch wieder in perfekter Geburtshausstartposition- danke, du kleines Engelchen!

 

Errechneter Entbindungstermin war der 20.7 und so dachte ich mir nicht viel dabei, als ich in der Nacht von Samstag (9.7) auf Sonntag (10.7) ca. alle 20min etwas heftigere Senkwehen hatte. Groß war mein Bauch nicht, gesenkt hatte er sich auch noch nicht und bei der letzten Vorsorge am Freitag nachmittag bei Meike war auch alles noch dicht und fest verschlossen.

Ich rief vorsichtshalber trotzdem auf dem ersten Hebammen-Handy an und schilderte Jule kurz die Nacht. „Kein Grund uns zu treffen, alles o.k.. Bei Wehen alle 20 min kommt kein Kind“ war ihre Antwort. Wo sie Recht hat, hat sie Recht!

Etwas merkwürdiger kam mir die Sache dann allerdings vor, als ich meiner Tochter und ihrer Cousine, die bei uns übernachtet hatte, Frühstück machte und mich dabei erwischte, wie ich bei jeder „Senkwehe“ inne halten musste. Und ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass diese „Senkwehen“ inzwischen alle 8 min kamen. Diesmal rief ich Sandra an. Ihre Antwort: „Ruf die Hebamme an.“ Also rief ich wieder Jule an. Ihre Antwort diesmal: „Na, dann schauen wir mal nach, was da unten so los ist! Wir treffen uns in 30 min (11:15) im Geburtshaus.“

Wie, was da unten so los ist??? Nichts ist da los! Meine Nichte ist zum Spielen da, die Betten müssen heute bezogen, der Hasenstall sauber gemacht werden und überhaupt ist es noch viel zu früh und bis zur Geburt hab ich noch einiges vor- also Fehlalarm, ganz klar! Das sah Jule wenig später völlig anders: „ Prima Bianca, gut gearbeitet. Der Muttermund ist 1-2cm offen, der Herr kommt heute auf jeden Fall. Na, Bock auf Geburt?“ NEEEIIIN!!! Psychisch war ich irgenwie noch gar nicht auf Geburt eingestellt, und die Betten und der Hasenstall und….PANIK!!!

Michelle jubelte, meine Mama auch, Sandra freute sich auch (heute hatte sie Zeit, tagsüber passte ihr wegen ihrer Kinder auch sehr gut- ihr Mann hatte nämlich Nachtschicht- na gerne doch! ).

Jule schickte uns zunächst wieder nach Hause. Wir sollten wieder kommen, wenn die Wehen stärker und häufiger kommen. Michelle fuhr mit Oma und Opa mit und ich nötigte Sandra (sorry nochmal:-)) unter ihrem und Jules Protest zu mir zu fahren und mit mir unter Wehen die Betten frisch zu beziehen und den Hasenstall noch sauber zu machen- Ordnung ist das halbe Leben, hat Mutti immer gesagt:-).

 

So, nachdem ich dann auch mehr oder weniger bereit war für die Geburt, fuhren Sandra und ich zunächst zu ihr nach Hause, wo ich die nächsten Stunden fleißig immer stärker werdende Wehen wegatmete und mich ihre Tochter Aliena (6 J.) gelegentlich fragte, was ich denn da immer mache und warum ich so komisch gucke…

Gegen 15 Uhr (wir wollten eigentlich noch spazieren gehen) hielt ich es für ratsam, langsam wieder in Richtung Geburtshaus zu fahren und so kontaktierte ich Jule erneut und wir verabredeten uns für 15:30 im Geburtshaus.

Auf dem Weg dorthin fiel mir ein, dass der Akku meines Handys fast leer war und ich das Ladekabel nicht eingepackt hatte- also nötigte ich Sandra wieder unter Protest (du bist echt die beste Freundin:-)) noch einmal zu mir zu fahren. Da ich inzwischen nicht mehr in der Lage war, groß Treppen zu steigen, lief Sandra schnell nach oben (2.Etage).

Erfolglos kam sie nach 5min wieder. Der Schlüssel ging nicht ins Schloss, da ich aufgrund meiner akuten Schlüsselvergesseritis diverse Male daran herummanipuliert hatte, so dass nur noch ich weiß, wie das Ding funktioniert. Also doch raus aus dem Wagen, gefühlte 300 Treppen hoch schleppen, Kabel holen und atmen nicht vergessen!

Im Geburtshaus angekommen untersuchte mich Jule ein weiteres Mal und verkündete stolz, dass der Muttermund nun ca. 4cm offen sei. Wie bitte??? 2cm in 4 Stunden? Heißt es nicht pro Stunde 1cm und dass es beim zweiten Kind sowieso meist schneller geht als beim ersten? Michelle hatte insgesamt 6 Stunden gedauert und ich war jetzt schon seit 8 Std dabei- na hurra, das konnte ja noch lustig werden!

Jule schickte uns zwar nicht wieder heim, aber wir sollten noch ca. 30min spazieren gehen und danach würde sie dann die Fruchtblase „ankratzen“.

 

30 min unter Wehen spazieren gehen kann viel Aufmerksamkeit erregen! Ich hing an jeder Laterne und Sandra- 1,57m – versuchte sich bei jeder Wehe schützend vor mich- 1,80m- zustellen.

Vermutlich ein Bild für die Götter! Autos wurden regelmäßig langsamer, eine alte Dame fragte, ob mit uns alles in Ordnbung sei und als zum Schluß auch noch das Sparrenmobiel voll besetzt mit glotzenden Touristen an uns vorbei fuhr, beschlossen wir lachend ins Geburtshaus zurückzukehren.

Dort öffnete Jule die Fruchtblase, ich ging in die Badewanne und unter lautstarker Unterstützung von Pink, „Highway to Hell“, „Bad Influence“, „It’s all your fault“ und „Trouble“ kämpfte ich mich langsam durch in Richtung Presswehen. Zwischendurch verfluchte ich noch Eva, die in den Apfel gebissen hatte, schwor niemals wieder zwischenmenschliche Kontakte zu haben und verlangte lautstark nach einer PDA, die Jule mir mit den Worten „PDA gibt es nicht, Bratpfanne kannst du haben“ verweigerte! Verdammt nochmal! Eine weitere Untersuchung von Jule ergab, dass der kleine Hosenscheißer viele Haare haben würde und ein letzter Rest des Muttermundes noch hartnäckig stand.

Lisa, die als „Zweithebamme“ inzwischen auch eingetroffen war, beschloss diesen Rest bei der nächsten Wehe mit dem Finger wegzuschieben, damit ich endlich mit dem Pressen beginnen konnte. Also raus aus der Wanne und anstatt zum Bett zu gehen, erst mal direkt in den Vierfüßler und die heftigste Wehe meines Lebens wegatmen- oder wie man diese lautstarke Meinungsäußerung noch nennt:-)

Auf dem Bett kam Lisa aber zu nichts mehr, da ich das Pressen nicht mehr aufhalten konnte.

Ich hing mich also in Sandras Arme (die in diesem Punkt wohl Höchstleistung erbracht hat, da ich mit 84kg aktuell nicht besonders leicht war) und begann fleißig zu pressen. Eine Presswehe, zweite Presswehe- warum guckte denn Jule so komisch? Ah, die Haare waren nicht mehr zu sehen, ein „Sternguckerkind“- ist doch egal! Dritte Presswehe- o.k. hier stimmt was nicht! Was ist los??? Jule schaute nun SEHR skeptisch, Lisa inzwischen auch. Jule: „ Das sind hier keine Haare mehr, das sind Hoden!“ WAAASSS??? Richtig, Hoden! Offensichtlich hatte es sich der Herr doch noch einmal anders überlegt und sich kurz vor den Presswehen- vermutlich beim Steigen aus der Badewanne und anschließendem Vierfüßlerstand- wieder in Beckenendlage gedreht. Unglaublich! Na warte, bist du rauskommst!

Da der Po von Mitja schon halb „heraushing“, war es zu spät um ins Krankenhaus zu verlegen. Jule beruhigte mich diesbezüglich (das war nämlich meine größte Sorge) und versicherte mir, dass wir das nun im Geburtshaus „durchziehen“ müssten- Gott sei Dank!!!

Ich bekam die Anweisung, mich wieder in den Vierfüßlerstand zu drehen und mit dem Pressen fortzufahren. Jule rief inzwischen im Franziskushospital an und bestellte einen Oberarzt ins Geburtshaus. Anschließend rief sie noch Meike an: „Meike, Bianca bekommt ihr Kind.“

Meike: „ Ja, das ist doch schön.“ Jule: „ Aus Beckenendlage….“. Meike, die gerade den Geburtstag ihrer Mama im Brauhaus feierte, kam auf ihren neuen High Heels über den Asphalt bis ins Geburtshaus gerannt, was ich zu gerne gesehen hätte!

Meike, falls die Schuhe ruiniert sind, bezahlt dir Mitja gerne neue- ich ziehe es ihm später vom Taschengeld ab…:-)

Nach der nächsten Presswehe war schließlich der Körper meines kleinen Hasen geboren, so dass ich die wehrlose Situation des neuen Erdenbürgers ausnutzte und ihm für die Frechheit einen kleinen Klaps auf den Po gab (gaaaaaaanz leicht).

Das war das einzige Mal, dass Jule fast die Nerven verlor, weil sie, wie sie mir später erzählte, ihre Hände krampfhaft unter ihren Obeschenkeln klemmen hatte, um das heraushängende Kind ja nicht zu stützen (wenn es berührt wird, kann es sich erschrecken, die Arme hochschlagen und sich so im Becken „verkeilen“) – so was weiß man doch als „Normalgebärende“ nicht…

Nach einer weiteren Presswehe war schließlich auch der Rest auf der Welt und ich konnte endlich meinen Sohn- juhuuu, ich habe einen Sohn- ohne nennenswerte Verletzungen (klitzekleine Schramme) gegen 17:52 Uhr in die Arme schließen (49cm, 3580g, KU 37cm)

Der Arzt wurde nicht mehr benötigt.

 

Ich bedanke mich bei meiner besten Freundin Sandra für ihre tolle Unterstützung und ihre Nerven- ich weiß, du hast es nicht immer leicht mit mir:-)

Weiterhin danke ich Jule und Lisa für ihre super Arbeit, das besonnene und professionelle Handeln und dafür, dass ich mich jede Minute bei euch sicher und gut aufgehoben gefühlt habe.

Meike danke ich natürlich für den vollen Körpereinsatz- vielleicht können wir ja den nächsten Hermann zusammen auf High Heels laufen? 🙂

 

Das nächste Baby kommt wieder bei Euch zur Welt- egal wie!!!

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