Frida

In meiner Schwangerschaft habe ich selbst alle Berichte gelesen, die auf der Seite des Geburtshauses veröffentlicht worden sind und fand die meisten ausgesprochen unterhaltsam, informativ und berührend. Und daher möchte ich nun auch von der Geburt unserer Tochter Frida erzählen. Wenngleich ich am Ende zwar eine ähnliche Geschichte erzähle, wie viele vor mir, das Erleben war jedoch so, dass mich nichts wirklich darauf hätte vorbereiten können.  
Bereits im Mai habe ich (Carsten, mein Mann, musste leider arbeiten) den Infoabend im Geburtshaus besucht und mich/uns auch sofort angemeldet. Die Atmosphäre, die durchweg so sympathischen, netten Hebammen und einfach das ganze Konzept haben mich von Anfang an überzeugt. Im Dezember sollte unser Kind kommen und bis dahin haben wir entspannte und schöne Vorsorgetermine gehabt, auf die ich mich immer schon gefreut habe und die die Vorfreude auf unser Kind stets wieder neu belebt haben. Abgesehen von der Dauerübelkeit in den ersten vier Monaten, war es eine sehr entspannte unkomplizierte Schwangerschaft und gegen Ende November konnte ich kaum noch an etwas anderes denken als an unser Kind, die Geburt und wie das alles wohl werden würde. Und schließlich wurde es folgendermaßen..
Am Donnerstag, den 8.12. war ich abends ein letztes Mal beim Yoga und hatte danach so etwas wie Wehen. Es fühlte sich am ehesten an wie Regelschmerzen, die jedoch keineswegs regelmäßig kamen, sondern über den Abend und die Nacht verteilt hin und wieder auftraten. Darüber machte ich mir noch keine Gedanken, da bei den Untersuchungen kurz vorher mein Kind noch recht weit oben lag und der Gebärmutterhals auch noch nicht verkürzt war. Ich freute mich also darüber, dass ich vermutlich endlich ein paar Senkwehen verspürte. Am Freitag Mittag sind Carsten und ich dann essen gegangen. Wir lieben beide indisches Essen und hatten darauf, wegen der Schärfe des Essens, die letzten Monate verzichtet. Nun schien es mir ungefährlich.
Auf dem anschließenden Spaziergang ging es dann ganz plötzlich los. Ich bekam Wehen, die ich eindeutig als solche erkannte (Oh.. ach so ist das.. Aua!) und sie traten etwa im Abstand von zehn Minuten auf. Wir konnten also noch recht entspannt spazieren gehen, die Schmerzen waren noch recht erträglich und die Vorfreude geradezu unbändig. Ja, so hatte ich mir das vorgestellt! Das ging doch super los.. Etwa eineinhalb Stunden gingen wir spazieren bevor wir es uns zu Hause gemütlich machten. Später schauten uns einen Tatort im Fernsehen an und zu der Zeit kamen die Wehen schon etwa alle 4 Minuten und waren zumindest so stark, dass ich während der Wehen nichts mehr von dem Film mitbekam. Aber alles in allem fand ich, dass wir die Lage gut im Griff hatten. Zunehmend empfand ich die Schmerzen allerdings als deutliche Beeinträchtigung und konnte auch nicht mehr gemütlich sitzen. Also probierte ich verschiedene Positionen aus und fand heraus, dass die Haltung im Vierfüßlerstand, gestützt auf die Bettkante oder einen Hocker für mich am besten war. Ich veratmete also die Wehen die etwa in einem Abstand von 2 – 4 Minuten kamen. Es war inzwischen Mitternacht, ich „arbeitete“ nach meiner Rechnung bereits seit 7 ½ Stunden und war sicher, dass es nun nicht mehr allzu lange dauern würde. Carsten fragte, ob wir dann jetzt mal die Hebamme anrufen sollten, aber ich hatte das Gefühl, noch eine kurze Zeit allein zurecht kommen zu können. Also winkte ich heroisch ab und empfand mich als unglaublich tapfer. Carsten war großartig. Er massierte mich, drückte gegen das Kreuzbein (diese Rückenschmerzen – einfach unglaublich!) und war die Ruhe selbst. Die Schmerzen waren nun schon lange nicht mehr im entferntesten mit Regelschmerzen zu vergleichen; es tat einfach alles unterhalb des Bauchnabels weh und das in einem Ausmaß, dass mich – vorsichtig ausgedrückt – doch überraschte. Ich bewegte mich für mein Empfinden an der Grenze des Erträglichen und gegen ungefähr 02.30Uhr haben wir dann die 1. Hebamme angerufen. Sabine ging ans Telefon und ich schilderte die Situation. Tapfer und gefasst, wie ich fand. Sabine fragte mich, wo es denn weh tue, reichlich irritiert über diese Frage habe ich vermutlich eine wenig hilfreiche Antwort gegeben und sagte „na ja.. untenrum“; ich nehme an, Sabine hätte sich eine irgendwie präzisere Auskunft gewünscht, ließ sich das aber netterweise nicht anmerken und versprach stattdessen vorbeizukommen. Als sie gegen 03.30Uhr klingelte, hatte ich zwischendurch schon Angst, das Kind könnte ohne Hebamme das Licht der Welt erblicken. Außerdem war ich sicher, dass wir es keinesfalls mehr ins Geburtshaus schaffen würden – ich würde mein Kind vermutlich doch zu Hause entbinden.  Als Sabine anfing mich zu untersuchen, erwartete ich lobende Worte für mein langes stilles Leiden und meine übermäßige Tapferkeit. Gerade wollte ich mich quasi zum Pressen bereit halten, da verkündete Sabine, dass der Muttermund leider erst einen Zentimeter geöffnet sei.. „mit gutem Willen..“ Wie bitte?? Ich kann kaum beschreiben, was ich in dem Moment empfunden habe. Das brachte mein inneres Gleichgewicht doch ein wenig ins Wanken. Ich konnte es überhaupt nicht fassen und kann mich nicht erinnern jemals mit meiner Einschätzung so dermaßen daneben gelegen zu haben. Ich überlegte während ich bemüht war diesen Schock zu verdauen, ob Sabine sich vielleicht irren könnte. Vielleicht hat sie sich verguckt, vielleicht ins falsche Loch gespäht.. ich hielt das für möglich. Sie schien sich ihrer Sache aber extrem sicher zu sein und empfahl Ruhe und Entspannung. In der Tat war ich von einem entspannten Zustand zu dieser Zeit sehr weit entfernt. Sabine ließ mir Buscopan da und riet mir ein Bad zu nehmen und dann sollte ich versuchen ein bisschen zu schlafen. Wir sollten uns wieder melden, wenn die Wehen stärker und noch regelmäßiger kommen würden. In diesen Sätzen lagen gleich mehrere Aussagen, die ich nur schwer verkraften konnte. Schlafen? Wie könnte ich in diesem Zustand je schlafen?? Carsten reagierte hingegen auf diesen Vorschlag in Anbetracht der Uhrzeit hoch erfreut. Mich beunruhigte ferner die Idee, dass die Wehen noch stärker werden könnten, wobei ich das eigentlich für ausgeschlossen hielt. Wider Erwarten halfen mir die Entspannungszäpfchen und das Bad aber soweit, dass die Wehen wirklich wieder etwas erträglicher wurden und so wimmerte und stöhnte ich mich in Seitenlage auf unserem Bett liegend in die Morgendämmerung hinein. Carsten konnte tatsächlich noch ein bisschen schlafen, bis gegen Morgen die Schmerzen wieder deutlich stärker wurden. Gegen 8:00Uhr riefen wir Sabine wieder an. Sie kam erneut vorbei und ich – inzwischen etwas vorsichtiger geworden – rechnete zwar nicht mehr mit der sofortigen Spontangeburt, aber doch damit, dass nun der Muttermund mindestens 6 – 7Zentimeter geöffnet sein müsste. Wieder ein dramatischer Irrtum! Sabine berichtete über zwei Zentimeter.. „geradeso..“. Trotzdem entschieden wir zu meiner großen Erleichterung ins Geburtshaus umzuziehen. Sabine fuhr vor und wir sollten uns fertig machen und hinterher fahren. Ich konnte mir zwar kaum vorstellen, allein den Weg ins Auto zu schaffen, aber irgendwie ging’s natürlich. Ich nahm auf dem Beifahrersitz rücklings eine Art aufrechte Hockposition ein und grunzte etwas Verächtliches in Carstens Richtung, der fragte, ob ich mich anschnallen könne. Glücklicherweise wohnen wir ziemlich nah am Geburtshaus, denn Wehen im fahrenden Auto zu veratmen ist das Gegenteil von schön. Ich war noch in der Lage gedanklich alle Frauen zu bedauern, die sich für das Geburtshaus entschieden haben und aus Oerlinghausen oder Werther anreisen müssen.
Endlich angekommen nahm Meike uns in Empfang. Ich wurde ein weiteres Mal untersucht und Meike erklärte uns, dass es bei einem solchen Befund sein könne, dass die Wehen noch mal ganz aufhören und das überhaupt nicht absehbar sei, wie lange das Ganze noch dauern würde. Es wurde entschieden, dass wir noch eine Stunde abwarten, um zu sehen, was sich in dieser Zeit tut. Falls sich nichts nennenswertes ereignen sollte, würden Meike und Sabine uns erstmal wieder nach Hause schicken.. Das war definitiv mein emotionaler Tiefpunkt im Verlauf des gesamten Geburtsvorgangs. Die Vorstellung mit diesen Schmerzen wieder nach Hause zu müssen war geradezu katastrophal und überhaupt die Vorstellung, mich in irgendeiner Form gehend bewegen zu müssen war mir nahezu unerträglich. Ich erinnerte mich daran, dass wir in einer Vorsorgeuntersuchung (ich glaube bei Jule war das) mal darüber gesprochen haben, dass die meisten Frauen im Geburtshaus irgendwann nach Schmerzmitteln verlangen würden, die es selbstverständlich nicht gibt, stattdessen könne nur noch die Bratpfannenmethode zum Einsatz kommen, hatte Jule scherzhaft gesagt. Nun, Jule war nicht da und leider bot weder Sabine noch Meike an, mir eine Bratpfanne zur Schmerzerleichterung über den Schädel zu ziehen. Ich schwöre, ich hätte sofort angenommen!  Zum Glück ging es bei mir dann aber doch weiter und als Meike und Sabine das nächste Mal nachsahen, war der Muttermund wieder ein Stück weiter geöffnet und im Vergleich zum Anfang ging das nun auch offenbar relativ schnell. Von da an probierte ich verschiedene Positionen aus. Am besten gefiel mir (sofern man von „gefallen“ sprechen kann – eigentlich ein zu fröhliches Wort an dieser Stelle) die Position in der warmen Badewanne mit den massiven Griffen, an denen ich mich wunderbar festkrallen konnte. Irgendwann sollte ich mich allerdings nochmals aus der Wanne begeben, was ich zunächst mit einem deutlichen „Nein“ ablehnte. Meike meinte „doch“ und damit war bereits alles ausdiskutiert. Ich stieg also wieder aus und probierte diverse Haltungen am Seil, an Carsten, auf dem Bett, vor dem Bett usw. aus. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass die Wehenschmerzen sich jenseits meiner Vorstellungskraft doch noch weiter verschlimmerten und während ich im Geburtsvorbereitungskurs beim Üben des Tönens noch dachte, das ich das vermutlich nicht richtig würde umsetzen können, da ich doch eine gewisse Hemmung empfand, war inzwischen das Problem mit den Hemmungen komplett erledigt. Ich habe gebrüllt, getönt, gestöhnt, geächzt wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Ich habe Töne von mir gegeben, von denen ich nicht wusste, dass ich sie beherrsche.. später wurde mir zwar von Carsten und Sabine gesagt, dass das gar nicht so schlimm gewesen sei – mir kam es aber doch so vor.
Jedenfalls ging es dann noch die ein oder andere Stunde so weiter und ich war froh über die Hinweise von Meike und Sabine, wie ich am besten atmen sollte und versuchte das dann auch umzusetzen. Mein armer Mann musste auch gelegentlich die Zähne zusammenbeißen – einmal habe ich ihm an den Haaren gezogen (sein Schopf war einfach das Nächste was ich greifen konnte, als mal wieder eine Wehe etwas schneller einsetzte als erwartet. Es war keinesfalls ein Akt der Aggression, nur der puren Verzweiflung) ein anderes Mal in den Daumen gebissen (aus Versehen!); verbal bin ich aber ganz höflich und umgänglich geblieben – das nur zu meiner Verteidigung (das bestätigt Carsten im übrigen). Irgendwann wurden die Wehenpausen immer kürzer, bisweilen ging eine Wehe in die andere über (ganz doof!) und ich fragte die beiden, ob das jetzt endlich die Presswehen seien. Meike meinte nur „Nein, noch nicht“. Das würde sie dann an meinem Gesichtsausdruck sehen.. Aha.. ich spürte neuerliche Beunruhigung in mir aufsteigen. Als es dann soweit war und ich dachte, mir quillen die Augen aus dem Kopf bei dem unwiderstehlichen Pressdrang den ich hatte, wusste ich dann wieder was sie meinte. Ab diesem Zeitpunkt ging es bergauf,. Zwar waren die Presswehen auch nicht gerade angenehm, aber ich konnte endlich meine Kraft, die ich durchaus noch hatte, einsetzen und das tat irgendwie gut. Und tatsächlich (!) nach gefühlt eher kurzer Phase des Pressens – ich hockte inzwischen gestützt auf Carstens Beine und Arme vor dem Bett – rutschte mit einer letzten Wehe unsere kleine Frida heraus, schrie kurz, zog ihre kleine Stirn in falten und schaute sich sofort mit wachen Augen um. Diesen Anblick werde ich nie vergessen! Frida war topfit und ich konnte sie sofort hochnehmen. Die vorangegangenen Strapazen und Schmerzen wichen augenblicklich  einem unbeschreiblichen Gefühl von Freude und Zuneigung zu diesem kleinen Geschöpf.
Wenn ich heute, nach genau drei Monaten, an Fridas Geburt zurückdenke – und ich denke sehr oft und sehr gerne daran – dann habe ich interessanterweise (und das zur Aufmunterung an alle noch werdenden Mütter) nur positive und sehr gute Gefühle. Auch wenn ich an den gesamten Geburtsprozess denke. Ich muss daran denken, wie gemütlich alles aussah, wie entspannt und locker die Hebammen auf mich wirkten, die wohlwollende irgendwie zauberhaft weihnachtliche Atmosphäre und dann natürlich dieser unfassbare Geburtsmoment als Frida um 16:08Uhr am 10.12. herausgerutscht kam. Frida wurde von Meike „frisch gemacht“ und angezogen und bekam ein urgemütliches Plätzchen vor dem Kamin, während wir Pizza gegessen und mit Sekt angestoßen haben. Zwar musste ich noch mit Sabine ins Krankenhaus fahren, um genäht zu werden, aber das spielte alles keine Rolle mehr. Heute sage ich ganz klar, das war bestimmt der schönste Tag in meinem Leben, also besonders die Zeit ab 16.08Uhr. Und ich wünsche allen momentan noch Schwangeren, die vielleicht genauso wie ich im letzten Jahr, jetzt die Berichte voller Vorfreude und Erwartung lesen, dass es bei ihnen genauso schön wird, wie es bei mir war.
Carsten und ich sind nach wie vor total begeistert von dem gesamten Ablauf im Geburtshaus und bedanken uns bei allen und besonders natürlich bei Meike und Sabine!
Vielleicht sehen wir uns in ein paar Jahren wieder. Ganz liebe Grüße von Hete & Carsten

2 Kommentare zu “Frida

  1. Nadine schrieb am :

    Herzlichen Glückwunsch zur kleinen Frida!!!
    Der Bericht ist herlich 😉 Konnte echt mitfühlen – schmunzeln, lachen und natürlich die obligatorischen Tränen zum Schluss 🙂 Ich lese auch nach der Geburt unserer Tochter (Frieda) jeden Bericht hier auf der Seite…, ist einfach zu schön. Liebe Grüße, Nadine

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