Eine gute Erfahrung

Es ging los mit einer Wehe, die mich morgens um vier Uhr weckte. Ich freute mich sofort. Das hier war meine zweite Schwangerschaft, und sie war ganz anders als meine erste verlaufen: Viel früher ein viel größerer Bauch, viel mehr Rückenschmerzen, kaum Zeit für Sport, viel weniger Kraft, viel mehr Sodbrennen, viel weniger Schlaf, Hochsommer, Wassereinlagerungen. 

Aber auch: viel größere, angemessenere, konkretere Vorfreude auf diesen neuen Menschen, der in unsere Familie kommen würde. Hatte uns Tochter Nummer eins ja schon gezeigt, wie viel reicher das Leben dadurch wird.

Jetzt war der ET um 8 Tage überschritten und ich sehnte seit mindestens vier Wochen die Geburt herbei. Und endlich tat sich etwas!

Ich konnte und wollte vor Aufregung nicht mehr schlafen, also ging ich ins Wohnzimmer.

Um sechs Uhr standen mein Mann und unsere ältere Tochter auf. In der Zwischenzeit hatte ich noch weitere Wehen gehabt, allerdings noch mit großen Abständen.

Ich wusste von den CTG-Terminen der letzten Tage, dass Jule Rufbereitschaft hatte. Ich rief sie an, berichtete, und wir besprachen, in ein paar Stunden nochmal zu telefonieren.

Als nächstes riefen wir meine Schwiegermutter an. Sie kam vorbei, frühstückte mit uns und nahm dann unsere Tochter samt Übernachtungstasche mit.

Den Vormittag verbrachten mein Mann und ich gut gelaunt mit Spazierengehen und letzten Vorbereitungen. Die Wehen kamen weiter, aber teilweise immer noch mit großen Abständen. Da wir nah am Geburtshaus wohnen und Jule gerade dort war, fuhren wir gegen elf Uhr für eine Untersuchung dorthin. Ich war neugierig auf den Zwischenstand. Das erfreuliche Ergebnis: der Muttermund war bereits 4 cm geöffnet. Danach ging es nochmal nach Hause, Küchenschlacht in der Mediathek gucken.

Ab 14:00 Uhr wurden die Wehen kräftiger und häufiger. Wir telefonierten erneut und verabredeten uns für 16:00 Uhr mit Jule am Geburtshaus. Tine würde als dritte Hebamme mit dabei sein, da sie zu der Zeit erst seit kurzem zum Team des Geburtshauses gehörte und möglichst viele Geburten „mitnahm“. Die beiden begrüßten uns, im Hintergrund lief schon das Badewasser ein.

Direkt nach der Ankunft stellte sich bei mir kurz ein ziemliches Gefühlschaos ein. Da waren wir jetzt also. Wie ging es jetzt weiter? Waren die Wehen jetzt stark genug? Hatte sich seit elf Uhr etwas am Muttermund geändert? Würde meine Kraft ausreichen, falls sich das hier noch lange hinzog? Wo sollte ich mich eigentlich festhalten, wenn die nächste Wehe anrollt? Oh oh, da kam eine… Hilfe!

Mein Mann gab mir Halt, und Jule und Tine schafften es sehr feinfühlig, mich wieder zu beruhigen und aufzubauen. Tine sagte mit einem Lächeln, das wir heute noch Geburtstag feiern würden. Ich wurde wieder zuversichtlich.

Etwas später, in der Wanne angekommen, wurden die Wehen noch stärker. Ich machte mittlerweile laute Geräusche und war ein bisschen froh, dass wir das Haus ab jetzt für uns hatten. Bei unserer Ankunft war noch ein Sportkurs nebenan gewesen, aber jetzt war alles friedlich. (Abgesehen von mir.)

Es ging weiter gut voran. So langsam begann ich zu denken: Hoffentlich ist es bald geschafft. Da kam Kathi rein, sie hatte an dem Tag Dienst als zweite Hebamme. Das gab mir Hoffnung. Anscheinend erwarteten auch die Hebammen, dass es bald etwas wurde.

Ab da folgte leider noch eine ziemlich zähe Phase, in der ich sehr starke Wehen hatte, kräftig mitschob und bei jeder einzelnen Wehe dachte: das muss doch jetzt reichen. Die Uhr in der Ecke des Zimmers verriet mir, das Kathi schon seit über einer Stunde da war. Die Fruchtblase war immer noch nicht geplatzt. Wir beschlossen gemeinsam, dass Tine etwas nachhilft. Nachdem die Fruchtblase auf war, trat der Kopf in den Wehen noch tiefer, aber das allerletzte Stück fehlte immer noch.

Ich ahnte, dass ich nochmal die Position wechseln muss, wollte aber gleichzeitig lieber nichts verändern. Ich sprach es nicht an. Zu groß die Angst, dass die Wehen dann noch schmerzhafter würden und zu groß noch die Hoffnung, dass es doch irgendwie so gehen würde, wie es jetzt war. Da kam der erlösende Vorschlag von den Hebammen: Tiefe Hocke? Ich sagte ja. Nach weiteren 5 Minuten durfte ich endlich unsere zweite Tochter in die Arme schließen. Es war 19:55 Uhr. Lautes Geschrei, riesengroße Freude, unendliche Erleichterung.

Es folgten noch zwei Überraschungen. Erstens bei der U1: Unsere Tochter war viel größer und schwerer als zuvor geschätzt, stolze 4100 g. Das waren 1,2 kg mehr als unsere erste Tochter bei ihrer Geburt!

Zweitens bei meiner Untersuchung: Ich hatte nur eine winzige Schürfung davongetragen. Nochmal Erleichterung.

Wir verbrachten dann zu dritt eine sehr kuschelige Zeit im Geburtszimmer. Es gab Pizza und für unsere Tochter die erste Stillmahlzeit.

Nach diesem schönen ersten Kennenlernen halfen uns Jule, Kathi und Tine beim Anziehen und Zusammenpacken und brachten uns sicher bis ins Auto.

Vielen, vielen Dank euch dreien und auch dem gesamten Geburtshaus-Team für eure tolle Arbeit. Danke, dass ihr uns auf dieser wunderbaren Reise begleitet habt. Danke für euren geballten Sachverstand, die gute Beratung, die Zeit, die ihr euch nehmt, die Sicherheit, die ihr vermittelt, das Vertrauen, das ihr aufbaut, euren Humor und den vollen Körpereinsatz. Besser hätte ich es mir nicht vorstellen können.

Und danke meinen Mann ?? Mit dir an meiner Seite geht alles leichter. 

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